Kanadisches Alltagsleben beginnt wohl eher nicht mit einem deutschen Frühstück. Zu Hause, in Aachen, ist mir diese Zeit des Morgens heilig – auch wenn sie in der Woche kurz nach Sieben stattfindet und nur eine Viertelstunde dauert. Hier, in Victoria, fahre ich zum Bäcker (natürlich mit dem Auto), hole mir einen Cappuccino und einen Scone oder Blueberry-Muffin. Auch wenn meine italienischen Freunde an dieser Stelle mit dem Kopf schütteln: Der Cappuccino hier ist der beste, den ich je bekommen habe. (Ich habe eine Zeitlang in Rom gelebt.) Scones gibt es bei uns nicht und ein deutscher Muffin ist mit einem kanadischen nicht zu vergleichen. Wie das Land selbst, so ist auch der Muffin größer und more fluffy.
Heute, am Sonntag, gibt es aber eine Art „Deutsches Frühstück“. Wir holen Brot (natürlich mit dem Auto) und landen nach etwa fünf Kilometern auf einem der hier so üblichen Innenhöfe mit Parkplatz, um den sich mehrere Shops gruppieren. Einer davon ist die Bäckerei „Cobs“.
Menschen in meinem Alter kennen sie noch: Die Dorfbäckerei. Den Duft von frisch gebackenem Brot, die Hefeteilchen mit Vanillepudding und Kirschen, die Rollkuchen mit fetten Rosinen und klebrigem Puderzuckerguss. Victoria ist kein Dorf, aber in weiten Teilen dörflich. Und diese Bäckerei könnte im Dorf meiner Kindheit ihre Buns verkauft haben.
Es duftet. Nach Hefe, Teig, frischem Brot mit knuspriger Kruste. Hinter der Brötchentheke sieht man die Backstube, einer der Bäcker schiebt ein Blech mit frischem Brot in die Durchreiche, die Entscheidung fällt schwer, am liebsten würde man alles probieren. Der einzige Unterschied zu „früher“: die Klima-Anlage, keine Wespen.
Wir nehmen viel zu viel mit, aber die Gefrierschränke hier sind groß: ein Weißbrot, ein Brot mit Körner- und Mohnkruste, vier Buns, die knuspern und ein wenig säuerlich schmecken und mit deutschen Industrie-Schlabberbrötchen nichts gemein haben, zwei Blueberry-Muffins, ein Spinat-Käse-Croissant. Dazu Butter und Jam: perfekt. Paradiesisch.