Irgendwie bin ich „aus dem Tritt“, finde noch keinen neuen Wanderrhythmus, sondern drehe mich im Bett herum, ertappe mich bei sonntäglichen Ausreden – angefangen vom „Ich kann doch mein Kind 👶 nicht alleine lassen!“ über mitten am Tag liegende Events, die einer Wanderung die nötigen Stunden klauen bis hin zum Neuschnee, der die meteorologischen Frühlingstage abkühlt.
Schluss damit. Ich will wieder los. Muss nach draußen. An die Luft. Trotz Schnee und Eis? Trotz Schnee und Eis!
Die „Sauermühle“ ist mein Ziel, der Weg ab Einruhr nicht so weit, der Schnee im Mühlental nicht so hoch, die Planung nicht weiter schwierig, denn wie immer gibt es Schilder mit Nümmerchen. Diese zu beachten wäre hilfreich. Es zu unterlassen, führt zu Umwegen und Irrwegen. Aber darin bin ich ja Spezialistin.
Ich fahre viel zu spät los – ein Event stand dem Wandern im Weg. Ein paar Stunden später ist es ein Hirsch. Dann zwei, dann vier, fünf, sechs. Ein ganzes Rudel. Lange stehe ich reglos da und hoffe auf eine gute Foto-Gelegenheit. Aber dazu müsste ich wohl auf einem der zahlreichen Hochsitze sein.
Die Wildgänse, die in den nächsten Tagen in Funk und Fernsehen zu Kranichen werden – überzeugt bin ich nicht davon – sind mindestens so beeindruckend. Sie fliegen über die Dreiborner Hochfläche und auch mit ihnen bin ich ganz allein. Im Gegensatz zu den Hirschen kümmern sie sich nicht um mich.
Irgendein Geräusch lässt die Hirsche schließlich aufhorchen. Dann brechen sie aus dem Gebüsch aus und jagen den Hang hoch, hinein in den Wald.
Als ich sie aus den Augen verloren habe, merke ich, dass auch die „45“ weg ist. Und wo bitte ist die Sauermühle? Ich höre Autogeräusche und lande auf einer Straße. Welche Richtung soll ich einschlagen? Wo bin ich vom rechten Pfad abgekommen? Was sagt die Karte?
Wie immer nicht viel. Ich verstehe ihre Sprache nicht. Also setze ich mich den Gefahren des Straßenverkehrs aus, denn es wird verdächtig dunkel. Ich habe viel zu lange Hirsche beobachtet.
Irgendwann entdecke ich links ein kleines weißes Schild. Und den Weg. Der aber liegt auf der schattigen Seite und ist völlig vereist. Da ist mir die Straße lieber. Den Kelzerbach lasse ich links liegen. Und atme auf, als ich um die Kurve biege. Einruhr. Von hinten.
Ich muss gestehen, dass ich mich jetzt doch auf die grünen Tage freue.
Und auf einen Bus, der mich nicht im Dunkeln lässt . . .