Allgemein · Hiking, Wandern, Unterwegs sein

Wanderung Nummer 12: Der Birgeler Urwald oder . . .

. . . Alte Heimat-Route Zwei

Der Wandertag beginnt ein bisschen schräg. Ich informiere mich über mehrere Wandermöglichkeiten ab Roetgen oder Einruhr – und dann verpasse ich den Bus! Der nächste fährt erst um viertel vor Zwölf. Viel zu spät. Was tun?

Zuerst mal wandere ich nach Hause zurück. Dort konsultiere ich die übrig gebliebenen „Zeitungsrouten“. Die meisten sind mir zu kurz. Bleiben der Aachener Wald (den ich schon ziemlich gut kenne) und der „Birgeler Urwald“. 13 Kilometer lang soll der entsprechende Rundweg sein. Das Problem ist nur: Er startet ab „Haus Wildenrath“ und ich habe vor einigen Wochen schon einmal einen Anlauf unternommen, diesen Startpunkt zu finden. Ist mir nicht geglückt.

Da ich inzwischen weiß, wo ich mich verfahren habe, gucke ich ein bisschen genauer in die Google-Map und lerne den Weg so besser kennen: B57, K 29, L19, Hetzerath liegt rechts, Matzerath links, durch Myhl muss ich durch. Schnell ein Auto gebucht – bis 18.00 Uhr – und ich verlasse zum zweiten Mal das Haus.

Um es kurz zu machen: Dieses Mal finde ich „Haus Wildenrath„, ein Zentrum des „NABU“. Aber einfach war das nicht. Erst als ich mich eigentlich nicht mehr verfahren kann, kommt das erste und einzige Hinweisschild in Sicht. Da muss der Kreis Heinsberg aber noch mal ran!

Der Kreis Heinsberg. Meine „alte Heimat“. Ich kenne mich hier aus – und doch wieder nicht. In den letzten zehn, zwanzig Jahren wurde hier eine Umgehungsstraße nach der anderen gebaut – und alle sehen gleich aus. Man kann schlecht drehen, wenn man sich verfahren hat, weil Umgehungsstraßen schnelle Straßen sind und weil einem immer jemand auf der Stoßstange hängt.

Als ich endlich angekommen bin, fühle ich mich gestresst und bin irgendwie ärgerlich. Und es dauert fast eine halbe Stunde, bis ich diesen Ärger wieder weggewandert habe. Der „Birgeler Urwald“ ist auf den ersten Kilometern nicht besonders spektakulär – und schon gar kein Urwald. Warum bin ich so kritisch? Hat es etwas damit zu tun, dass ich in dieser Gegend hier groß geworden und dann „ausgewandert“ bin?

Tatsächlich habe ich am Ende des Weges – ich brauche fast fünf Stunden – mehr Bilder gemacht, als auf all meinen Wanderungen vorher. Das muss einen guten Grund haben.

Am Anfang gehe ich ganz langsam. Der Weg ist eher ein Spazierweg, und im Laufe des Tages stelle ich fest, dass ich immer dann schnell bin, wenn es bergauf geht. Aber es geht selten bergauf. Der Weg ist super gut ausgeschildert, das Symbol lässt mich fast nie im Stich. Für meinen Geschmack gibt es zu viele Mitwanderer und zu viele Berührungspunkte mit der Zivilisation. Zumindest gilt das für die erste Weghälfte. Aber das Wetter ist schön – und die vorherrschende Farbe ist Gelb:

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Langsam entspanne ich mich. Und kriege Hunger. Es gibt wenig Bänke unterwegs, und als die erste in Sicht kommt, packe ich mein Schoko-Croissant und meinen Kaffee aus und picknicke im Stehen. Ein mittelalterliches Paar mit frei laufendem Border Collie kommt mir entgegen. Ich habe keine Angst vor Hunden. Aber ich mag es auch nicht, wenn sie mich anspringen. Zum Glück ist der hier klein. Ich höre die Klänge meiner Kindheit: „Wat hamSe denn auf’m Brot? Schinken?“ Nee, Schokolade. Frauchen und Herrchen sind sich keines Erziehungsversäumnisses bewusst.

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Gestärkt laufe ich weiter und treffe auf das weltberühmte 😉 „Birgeler Pützchen“. Mein ganzes Leben lang kenne ich das Pützchen nur vom Hörensagen, eine Art Wallfahrtskapelle, von der im Dorf die alten Frauen geredet haben. Nie hat es mich hierhin gezogen. Aber nun bin ich da. Und mit mir noch einige andere.

Rund um die Kapelle gibt es überall fromme Zeichen, in Stein gemeißelt, in Holz geritzt.

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Ich laufe einen Kreuzweg entlang und treffe auf einen Friedhof.

Friedhöfe ziehen mich magisch an. Auch dieser hier. Ich kann nicht einfach vorbeigehen, ohne einen Blick auf ein paar Gräber geworfen zu haben. Dadurch werde ich auch den zweiten Hund des Tages los, der mich böse anbellt und der für meinen Geschmack eine sehr viel kürzere Leine bräuchte. „Die hat nur Angst!“  Vor mir etwa?

Mitten im  „Birgeler Urwald“ gibt es immer wieder Buchenblattinseln. Wie kleine Parkflächen. Ich bin längst ausgesöhnt mit meinem Heimatbesuch.

Dann führt mich der Weg raus aus dem Wald. Am Himmel braut sich was zusammen.

Ein Schild am Straßenrand verheißt eine Schutzhütte. Ich wandere auf einer Art „Hochweg“ entlang, rechts liegt ein Campingplatz, offenbar für Dauercamper. Sieht irgendwie nicht schön aus. Auch Wohnwagen und Vorzelte werden grün, wenn man sie nicht pflegt. Ein einziges Mal verlaufe ich mich und lande an einem Zaun rund um ein denkmalgeschütztes Haus. Der Blick lohnt den Abstecher.

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Bevor ich die Schutzhütte  erreiche, die im Jahr 2015 auch schon „Resi und Paul“  – allerdings vermutlich aus anderem Grund – Unterschlupf   geboten hat, ist der Regen schon vorbei. Der spektakuläre Himmel hat sich nur kurz aufgetan. Mich beschleicht das Gefühl, noch ein ganzes Stück vor mir zu haben und ein Blick auf die Wanderzeichnung der Aachener Zeitung bestätigt das. Ich habe getrödelt.

Jetzt aber wird der Urwald erst richtig schön.

Stege wie im „Hohen Venn“ führen durch den Morast und durch die Gräserlandschaft.

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Wenn ich irgendwann in einer Zukunft, von der ich bis vor kurzem dachte, sie sei nicht mehr fern, einen Garten haben sollte, ein winziges Stadtgärtchen, mit Hund, aber ohne Huhn, dann werde ich Gräser pflanzen.

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Bis dahin wandere ich weiter durch Hochmoor und Urwald, vorbei an Pilzen, Bächen, Lärchen, in alter und neuer Heimat.

Ein schöner Tag. Ein schöner Weg. Ich erreiche das Auto rechtzeitig vorm Dunkelwerden.

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Nach Hause findet man immer.

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